Prism, NSA und Edward Snowden

Im Juni 2013 enthüllte Edward Snowden allerlei unappetitliche Details rund um die NSA und weiterer Geheimdienste. Dabei kam u.a. heraus:

Da es sehr bedauerlich wäre, wenn die Erkenntisse dieses Sommers nach den großen Ferien wieder in Vergessenheit gerieten, will ich die wichtigsten Punkte der guten Übersicht halber hier festhalten:

Edward Snowden: dieser Mann, der die Enthüllungen überhaupt erst ermöglicht hat, wird von der US Regierung verfolgt, die ihn wegen Geheimnisverrats vor Gericht stellen will. Wie man hört, droht ihm im schlimmsten Fall die Todesstrafe. Anstatt ihm nun aber in Deutschland Asyl oder Zeugenschutz zu gewähren, verschanzt sich unsere Bundesregierung hinter juristischen Argumenten, die an Lächerlichkeit kaum zu überbieten sind.

Bundeskanzlerin Merkel: sie schaffte es, mehrere Tage zu den Vorwürfen gegen die NSA zu schweigen. Als dann US-Präsident Obama zu Gast in Berlin war, brachte es unsere Chefin auch noch fertig, dass Internet als Neuland zu bezeichnen. Mancher lachte über diese gespielte Ahnungslosigkeit, anderen blieb das Lachen im Hals stecken.

Die Post: Quasi im vorbeigehen wurde bekannt, dass die Post in den USA die Briefe im Sortierzentrum fotografiert und auch diese Verbindungsdaten zwischenspeichert. In der Konsequenz heißt das, dass neben E-Mails und Telefonaten auch der Briefverkehr systematisch erfasst wird. Wohl dem, der keine Absenderadresse auf seine Briefumschläge schreibt. Übrigens, die Deutsche Post wendet dieses Verfahren für einige Geschäftsbriefe in die USA ebenfalls an.

Die Terrorabwehr: Aller Orten plappern Politiker nach, dass es eine Balance zwischen Privatssphäre und Terrorabwehr geben müsse, weil doch bereits so viele Anschläge erfolgreich durch die Totalüberwachung verhindert worden sein. Dabei beruft man sich auf Zahlen der NSA (weltweit 45, davon 5 in Deutschland). Dass diese Argumentation langfristig in den Überwachungsstaat führt, nehmen unsere Führer dabei offensichtlich in Kauf – mancher mag auch genau dies bewusst anstreben.

Boliviens Präsident Evo Morales: Als kürzlich der Präsident Boliviens mit dem Flugzeug von Moskau nach Hause fliegen wollte, wurde dieser kurzerhand in Wien zur Landung gezwungen. Warum? Die US-Amerikaner befürchteten, besagter Präsident könnte Edward Snowden aus Russland heraus schmuggeln wollen – dorthin  hatte sich Herr Snowden zwischenzeitlich geflüchtet. Im Ergebnis musste das Flugzeug nicht nur danken, es wurde auch noch von den österreichischen Sicherheitsbehörden durchsucht. Wohl gemerkt, wir reden hier von der Maschine eines anerkannten Präsidenten mit diplomatischem Status. Immerhin: statt sich nur über diesen Affront zu ärgern, waren die Bolivianer konsequent genug, den USA dafür die Rote Karte zu zeigen – und kündigten prompt ein Zollabkommen.

Microsofts Eingeständnis: Der Softwarekonzern musste die Zusammenarbeit mit dem  Geheimdienst zugegeben, wenn auch juristisch verklausuliert. Im Ergebnis muss festgehalten werden, dass sowohl die Windows-Betriebssysteme, die Cloud-Dienste, E-Mail und Skype mehr oder weniger direkt mit dem Geheimdienst verzahnt sind. Besonders spannend ist an diesem Szenario der Ausblick auf die neue Xbox One, die ja mit einer dauerhaften Audio- und Video-Überwachung des heimischen Wohnzimmers daherkommt und eine permanente Internetverbindung voraussetzt. Es bedarf wenig Fantasie, um sich vorzustellen, welches Ausmaß an Überwachung durch diese Verkettung möglich wird.

Zusammengefasst bedeuten die Erkenntnisse, dass wir davon ausgehen müssen, dass die gesamte Internetkommunikation nahezu vollständig überwacht wird. Dies betrifft nicht nur Verkehrsdaten (wer sprach wann mit wem), auch die konkreten Inhalte können bei Bedarf erfasst und mitgeschnitten werden. Außerdem brachte der Fall bisher zu Tage, dass es momentan offenbar noch nicht um die permanente Auswertung der Daten geht. Derzeit werden die Daten angeblich „nur“ deshalb gesammelt, um im Bedarfsfall darauf zurückgreifen zu können, getreu dem Motto: um eine Stecknadel im Heuhaufen suchen zu können, muss man zuerst einen Heuhaufen haben.

Aus Sicht der herrschenden Bundespolitiker ist es angebracht, die massenweise Verletzung unserer verfassungsgegebenen Rechte in Kauf zu nehmen, da wir damit angeblich Terroranschläge verhindern können. Überprüfen lässt sich diese Behauptung freilich nicht. Zur Besänftigung des Volkes werden außerdem ein paar markige Töne in die USA gesandt, ohne dass dies jedoch zu echten Ergebnissen führt. Es entsteht der Eindruck, dass die Bundespolitik insgesamt nichts dagegen hat, „ihr“ Volk auf Knopfdruck überwachen zu können beziehungsweise von den Ergebnissen der Übertragung zu profitieren.

Als politisch interessierter Bürger komme ich zu dem Schluss, dass durch diesen Skandal das Verhältnis zwischen Staat und Bürger erschüttert wird. Anstatt dass unsere Volksvertreter den Mumm aufbringen, den USA entschieden entgegenzutreten, fabulieret der Bundesinnenminister etwas von staatlichen Freundschaften und Terrorabwehr. Fürs Protokoll: die ebenfalls heftig ausspionierten Brasilianer sind direkt zur UNO gegangen, um dort über die USA zu sprechen. Unterm Strich gilt für Deutschland: 500 Millionen Grundrechtsverstöße pro Monat über mehrere Jahre sind völlig in Ordnung, wenn dafür 5 Terroranschläge in Deutschland verhindert worden sind.

Hinter dieser Billigung steckt letztlich die Überlegung, dass der Zweck die Mittel heiligt. Und auf derselben Basis betreiben unsere US-amerikanischen Freunde das international scharf kritisierte und rechtstaatlich fragwürdige Gefängnis Guantanamo und senden Killerdrohnen gegen die aus- und inländische Bevölkerung aus. Das ist nun einmal die Konsequenz, wenn der Zweck die Mittel heiligt und man einen Staatsapparat hinter sich hat.

Meiner Meinung nach sind wir alle angehalten, diesen Bestrebungen entschieden entgegenzutreten. Terrorabwehr ja, aber nicht um den Preis der Totalüberwachung. Heute geht es gegen Terroristen, morgen um schwerer Straftaten und übermorgen meldet sich das Finanzamt, was in bester Absicht das Gemeinwesen vor Steuerbetrug schützen möchte – und dazu selbstredend auch die Daten der Totalüberwachung braucht. Am langen Ende werden dann Computer darüber entscheiden, ob unser Verhalten noch im Normalmaß liegt oder ob eine staatliche Integritätsprüfung im Rahmen der präventiven Terror- oder Steuerbetrugsabwehr nötig ist. Wer diese Vision für übertrieben hält, der sollte anfangen, die Augen zu öffnen.

Wer die Totalüberwachung nicht will, muss heute etwas tun. Politiker können ausgetauscht werden, passenderweise ist bereits am 22. September 2013 mal wieder eine Bundestagswahl. Aus den Reihen der Opposition gab es immerhin ja auch Sympathiebekundungen gegenüber Herrn Snowden – informiert euch einfach mal bei den Grünen oder den Linken, ob sie sich nach der Wahl noch daran erinnern werden.

Gegen den Überwachungswahn können wir Bürger uns mit Verschlüsselung und Anonymisierung wehren. Stellvertretend seien hier Techniken wie Tor, GnuPG oder Truecrypt und die Dienste diverser VPN Anbieter genannt. Hier stellt sich letztlich nur die Frage, ob man zu Gunsten der Privatssphäre tatsächlich etwas Zeit oder Energie einsetzen möchte.

Zu guter Letzt ermuntere ich jeden Leser dieses Blogs, für seine Meinung zu diesem Thema öffentlich einzustehen. Anonymität und Privatsphäre schön und gut, aber im Falle eines Verfassungsbruchs dieses Ausmaßes ist es nicht nur unser Recht sondern sogar unsere Pflicht als Staatsbürger, auf die Einhaltung und Durchsetzung der Verfassung zu bestehen. Zur Erinnerung: das Post- und Fernmeldegeheimnis wird mit Billigung unserer Regierung durch ausländische Geheimdienste jährlich millionenfach verletzt, ohne dass die Regierung gewillt ist, diesen Zustand zu unterbinden.

Die hier verlinkten Beiträge gibt’s – sicherheitshalber – auch als Offline-Archiv.

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