Am 14. März 2021 steht in Hessen die Kommunalwahl auf dem Programm – und natürlich ist auch „mein“ kleines Städtchen Wetter (Hessen) mit von der Partie. Und ich. Warum und wieso, beschreibe ich hier.
Dauergast und Kommentator
Vor ungefähr 10 Jahren begab es sich, dass ich damit begann, regelmäßig die Stadtverordnetenversammlung in Wetter zu besuchen. Ich wurde damals in den Ortsbeirat gewählt, hatte zuvor einen Platz im Festausschuss zur 750 Jahr Feier gefunden und wurde kurz darauf auch 2. Vorsitzender der BI Windkraft Wetter. Kurzum: es gab jede Menge Berührungspunkte zum politischen Betrieb, so dass es sich anbot, den Damen und Herren in der Versammlung aufmerksam zuzuhören.
Unabsichtlich legte ich damals der Grundstein, denn zumindest im Kalender war ab dann die städtische Versammlung und auch der Bauausschuss ein fester Termin. Im Prinzip bis heute, sofern die Sitzungen nicht wegen Corona ausfallen.
Während meiner Tätigkeit im Festausschuss für die 750 Jahr Feier in Mellnau hatte ich zur selben Zeit damit begonnen, den Mellnau Newsletter zu reaktivieren. In der Kombination führte das dazu, dass sich unerwartet ein Medium fand, über das ich gelegentlich aus der bzw. über die Stadtverordnetenversammlung berichtete. Je nach Komplexität brauchte es manchmal auch eine Einordnung der Themen, was dazu führte, dass ich gelegentlich die Ortspolitik auch kommentierte. 2016 beschränkte ich mich nicht mehr aufs kommentieren sondern bat die Parteien um konkrete Antworten auf bestehende Probleme vor Ort. Der vorläufige Höhepunkt wurde dann mit meiner Berichterstattung über die Bürgermeisterwahl 2018 erreicht, die ziemlich kontrovers in der Stadt diskutiert wurde. Der Bedarf an politischer Kommunikation war und ist in meiner Wahrnehmung deutlich größer als das bestehende Angebot.
Warum überhaupt?
Die Demokratie ist eine feine Sache. Sie kann aber nur funktionieren, wenn die Leute auch gewillt sind, mitzumachen. Das gilt auch für die Stadtverordnetenversammlung. Aus meinem Umfeld mochte das in der Vergangenheit jedoch fast niemand (mehr) machen. Gründe dafür gibt es viele. Zum Teil sind es persönliche Enttäuschungen, Machtspielchen und auch der Umgang zwischen Stadtverordneten und Bürgermeister – in beide Richtungen. Sich abzuwenden hat in diesem Fall viel mit Selbstschutz zu tun.
Doch es gibt noch mehr: 2018 veröffentlichten die Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Daniel Ziblatt ihr Buch „How Democracies Die“ und erörterten darin, wie eine Demokratie nach und nach von innen ausgehölt werden könnte. Klingt etwas abstrakt, doch wenn man die Entwicklungen in den USA verfolgt, kann man erahnen, wie es laufen könnte. Tipp: die Podcaster von Lage der Nation sprachen im August 2019 auch einmal darüber. Ehrlicherweise müssen wir aber auch gar nicht bis in die USA schauen. Auch in Wetter haben wir es geschafft, dass zur Landtagswahl 2018 immerhin fast 12% die AfD wählten. Wir reden hier von der AfD, deren ehemaliger Pressesprecher gegenüber einem Pro7 Reporter gesagt haben soll, dass es für seine Partei umso besser ist, je schlechter es Deutschland geht. Nun, die NSDAP ist ja damals auch ins Parlament gewählt worden – es reicht also ganz offensichtlich nicht aus, dass irgendwer bei der Demokratie mit macht.
Warum denn ich?
Ich habe in 2019 und 2020 mit einigen Leuten in der Gegend gesprochen und einmal abgeklopft, ob sich denn nicht auch eine Bürger*innenliste für Wetter formieren könnte. Das Ergebnis war ernüchternd: reihenweise wurde abgewunken, lediglich eine handvoll Menschen war bereit, die Aufgabe positiv anzugehen. Positiv heißt, sie wollten wirklich mitmachen – und zwar nicht nur deshalb, weil es ja irgendwer machen muss.
Im Rahmen dieser Gespräche kam ich zu der Erkenntnis, dass ich in gewisser Weise ziemlich priviligiert bin. Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit kann ich mir die Arbeitszeit gut einteilen, ich profitiere von einem sehr leistungsfähigen Umfeld, kenne die ein oder andere Akteur*in in der Region und habe das große Glück, dass mir meine Gattin den Rücken freihält. Und weil das alles so ist, ist mir vieles möglich. Ein Privileg.
Warum nicht die Bürgerliste?
Es ist kein Geheimnis: Ich bin zwiegespalten, ob eine kleine Stadt wie es Wetter nun einmal ist, wirklich fünf Listen (SPD, CDU, Grüne, Linke, FDP) für eine Wahl benötigt. Ich habe an anderer Stelle schon einmal darüber geschrieben, dass die hohe Zahl an Vereinen (und Parteien) nicht mehr zur demographischen Entwicklung passt. In aller Kürze: die Babyboomer-Generation hatte jahrelang über 1 Millionen Menschen im Jahrgang, teilweise über 1,3 Millionen. Die heutigen Generationen sind dagegen geradezu winzig, 2009 wurden unter 700.000 Kinder geboren, die Prognosen sehen noch schlechter aus. Uns fehlen schlichtweg die Leute dafür, solche großen Strukturen aufrecht halten zu können. So wie sich die Vereine immer mehr zusammenlegen, würde es mich jedenfalls nicht überraschen, wenn auch die Listen diesen Weg gehen werden.
Doch halt, es ist noch bedauerlicher: damit die Parteien in der Kommunalwahl erkennbar werden, müssen sich die Listen gegeneinader abgrenzen. Menschen, die an sich gut zusammenarbeiten könnten, müssen sich dann mit Ideen, Worten oder Taten irgendwie beharken. Das absurde dabei ist, dass es zum Gutteil gar nichts zu streiten gibt. Wir sind ein unterfinanziertes und strukturschwaches Unterzentrum. Hohe Schulden und sinkende Einwohnerzahlen erlauben kaum große Sprünge. Pramatismus beherrscht das Geschehen. Ganz praktisch ist es da für mich nur sehr schwer zu erkennen, inwieweit sich die Parteien in ihren gelebten Werten unterscheiden. Dass sich in Wetter trotzdem noch fünf Fraktionen halten, werte ich als Beleg für die Leistungs- und Leidenfähigkeit der Akteur*innen. Kurzer Exkurs: in sämtlichen unserer Stadtteile treten für die Ortsbeiratswahlen ausschließlich Einheits- bzw. Bürgerlisten an. Ich gehe davon aus, dass zumindest in den Ortsteilen einfach kein Bedarf an politischer Differenzierung gegeben ist – man kann ja auch innerhalb der Liste streiten.
Aber warum denn die Roten?
Vorab: ich trete zur Kommunalwahl 2021 auf der Liste der SPD mit an, bin jedoch (noch) kein Parteimitglied geworden. Ob ich mich darum bewerben werde, habe ich heute (Stand 01/2021) noch nicht entschieden.
Sowohl auf Twitter als auch hier im Blog muss man nicht lange suchen, um Beiträge zu finden, in denen ich mich mehr oder weniger errege über das, was die SPD auf Bundesebene macht. Und ja, als die örtliche SPD unbedingt noch einen neuen Kindergarten trotz hoher Schulden in Unterrosphe bauen wollte, war ich ziemlich verärgert auf die örtlichen Genossen. „Vergeben, aber nicht vergessen, liebe Freund*innen.“
Jedoch habe ich vor Ort auch andere Erfahrungen gemacht. Unsere Landrätin Kirsten Fründt macht einen guten Job. Man bekommt Termine bei ihr, sie beantwortet zügig ihre Mails, kümmert sich und ist nicht verlegen darum, auch mal anzuecken – sogar als Rednerin beim Jubiläum der Marburger Familienunternehmer. Doch noch mehr: die örtliche SPD, insbesondere ihr Parteivorsitzender Gerd Nienhaus, gehört zu denen, die hier in der Region den Freifunk-Gedanken vom ersten Tag an mitgetragen haben oder auch immer wieder den Stand beim geplanten Windpark mitverfolgt haben. Er war auch einer der wenigen aus dem Magistrat, der sich zu Ortsbeiratssitzungen nach Mellnau begab. Oder nehmen wir die Burg Mellnau: dem Gemäuer geht es nicht gut, viel Geld wird benötigt. Und es waren im September letzten Jahres die örtlichen Genossen, die sich bemüht haben, das Thema Fördermittel mehr in den Fokus zu rücken.
Ich habe in den letzten Jahren zu allen Fraktionen immer wieder persönlichen Kontakt gehabt. Ich hatte dabei stets den Eindruck, dass egal ob in E-Mails, Telefonaten oder direkten Gesprächen alle Akteur*innen stets konstruktiv und freundlich mit mir umgegangen sind. Dass es letztlich die Roten wurden, liegt mehrheitlich daran, dass ich an vielen Stellen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit häufig auf Menschen traf, die der SPD nahestanden. Fürs Protokoll sei noch hinzugefügt, dass ich mit der Bundes-CDU und im speziellen ihrer bayerischen Schwester auch einige Schmerzen habe. Wenn also im Kommunalen überall schwarze statt rote Freund*innen gestanden hätten, hätte da auch noch einiges aus der Welt geschaffen werden müssen.
Was tun?
Sollte ich gewählt werden, werde ich mich unter anderem dafür einsetzen, dass wir deutlich mehr kostenfreies Internet in alle Stadtteile bekommen. Spätestens mit Corona ist jetzt einfach klar, dass der Zugang zum Digitalen wichtig ist, um mitmachen zu können. Mitmachen in der Schule, mitmachen im Job. Ich zitiere hier einmal das Selbstverständnis des Freifunk Frankenberg e.V., dass ich mir voll zu eigen mache:
„Wir erleben, dass einige Menschen das Privileg haben, jederzeit online sein zu können. Mit einer LTE-Flatrate und einem eigenen Internetanschluss zu Hause ist das im Prinzip auch kein Problem – so eine Kombination kostet aber auch ordentlich Geld. 40€ für einen Festnetzanschluss und weitere 30€ bis 80€ für einen Mobilfunkanschluss muss man da schon rechnen – wer Kinder oder Jugendliche im Haushalt hat, muss entsprechend mehr einplanen. Da kommt einiges zusammen. Bedenkt man dann noch, dass im Schnitt jeder zehnte Haushalt überschuldet ist, wird das Problem noch etwas konkreter. Und wenn dann noch tausende von Schülerinnen und Schülern ins Homeschooling bzw. deren Eltern ins Homeoffice versetzt werden, wird die Bedeutung unserer digitalen Infrastruktur noch einmal deutlicher.“
Wir über uns des Freifunk Frankenberg e.v.
Seit 2001 bin ich beruflich in Sachen Digitalisierung tätig, sowohl diese Erfahrung als auch die Vernetzung hin zur Wirtschaft werde ich ebenfalls mit in die Kommunalpolitik einbringen.
Da ich seit 2012 der 2. Vorsitzende der BI Windkraft Wetter bin, werde ich auch meine Erfahrung rund um den geplanten Windpark in die Stadtverordnetenversammlung mitnehmen. Macht ja auch Sinn: wenn man sich 9 Jahre mit einem Thema beschäftigt und sowohl mit Investoren, dem Regierungspräsidium und mehr oder weniger begeisterten Anwohner*innen in Kontakt steht, ist so ein Thema automatisch etwas präsenter.
Die Gemeindefusion ist so eine „once in a lifetime“ Herausforderung, der ich mich ebenfalls mit annehmen will. Ich kann heute noch nicht mit Gewissheit sagen, ob die Fusion eine gute oder schlechte Idee ist. Was ich aber erkenne, ist, dass es eine hochspannende Chance ist. Da will einiges abgewogen werden.
Zu guter Letzt möchte ich meinen persönlichen Draht zu vielen Mitgliedern der derzeitigen (und vielleicht auch zukünftigen) Stadtverordnetenversammlung nutzen, das Miteinander zu fördern. Der Wahlspruch der Genossen lautet in diesem Jahr „Wir gestalten die Zukunft zusammen“. Das wir ist bewusst offen gelassen – und es ist absehbar, dass CDU, Grüne, Linke und FDP die Roten nach der Wahl beim Wort nehmen werden. Und das ist gut so, denn diese Versammlung von Ehrenamtlichen verdient mehr Miteinander. Dazu will ich einen Beitrag leisten.
Transparenzhinweise
Ich habe es eingangs angedeutet und auch hier im Blog bereits geschrieben: ich bin auf vielen Hochzeiten unterwegs. Im Sinne guten demokratischen Stils will ich hier daher noch ein paar Dinge festhalten:
- Das Kerngeschäft meiner Firma sind Dienstleistungen rund ums Internet. Da geht es um Websites, Webshops, digitales Marketing, Strategie und Beratung. Die Firma betreibt außerdem einen eigenen Webshop, über den u.a. auch Schutzmasken verkauft werden. Theoretisch könnte die Stadt Wetter auch einmal auf die Idee kommen, Dienstleistungen oder Produkte von meiner Firma zu beziehen – praktisch hat sie es bis heute nicht getan.
- Meine Firma hat geschäftlich mit der Rechtsanwaltskanzlei zu tun, in der auch der Spitzenkandidat der CDU Wetter (Hessen) tätig ist.
- Ich stehe der Kirchengemeinde Rosphetal-Mellnau nahe, sowohl geschäftlich als auch privat.
- Die BI Windkraft Wetter e.V., deren 2. Vorsitzender ich bin, ist finanziell an einer Klage der Stadt Wetter gegen das Land Hessen beteiligt.
- Der Förderverein der Burgwaldschule e.V., deren 2. Vorsitzender ich bin, bekommt gelegentlich Zuschüsse von der Stadt Wetter, damit wir die Betreuung der Grundschüler*innen am späteren Nachmittag stemmen können. Gelegentlich heißt: wenn in einem Jahr ausreichend Bedarf bei den Eltern ist.
- Der Freifunk Frankenberg e.V., den ich als ordentliches Mitglied aktiv unterstütze, wünscht sich immer mal wieder Geld von Städten, in denen Freifunk aktiv genutzt wird. Bisher wurde dieser Wunsch in Wetter noch nicht gehört, aber auch das mag sich ja einmal ändern.
- Der Heimat- und Verkehrsverein Mellnau e.V., den ich als ordentliches Mitglied zum Beispiel in meiner Eigenschaft als Smart Kids AG Mentor gelegentlich unterstütze, ist über kurz oder lang auf Unterstützung für die Burg Mellnau durch öffentliche Stellen angewiesen, wozu auch die Stadt Wetter gehören könnte.
- Ich bin außerdem noch Mitglied im örtlichen Feuerwehr-Unterstützungsverein. Die Feuerwehren haben immer Bedarf an Unterstützung – auch und insbesondere durch die Stadt.
- Die übrigen Vereine, die ich durch Mitgliedschaft oder Spenden unterstütze, erscheinen mir inhaltlich zu weit weg von der Stadt, als dass sich eine Aufzählung hier lohnen würde.
Alles gesagt?
Sicherlich ließe sich noch viel mehr zur Kommunalwahl 2021 sagen – aber hier soll es genug sein. Wer noch Fragen hat, erreicht mich am besten per E-Mail oder Whatsapp.
Es würde mich freuen, wenn dieser Beitrag dazu beiträgt, den ein oder anderen zur Wahl zu motivieren. Und noch mehr freut es mich, wenn der oder die motivierte Wähler*in das Kreuz an der passenden Stelle setzt 😉