In der Zeit von April bis Anfang Juni 2021 gab es einen offenen Online-Notizblock, in dem sich die (örtliche) Bevölkerung dazu äußern konnte, welche Themen bei einem lokalen Klimaschutzkonzept für Wetter beachtet werden sollte. Es ging um Fragen und Anregungen, die als Grundlage für ein städtisches Klimaschutzkonzept dienen könnten. Es handelt sich dabei nicht um das Konzept selbst – das Konzept selbst ist der nächste Schritt, bei dem vor allem die Parteien ran müssen.
Das folgende Dokument fasst das Klimapad zusammen, verdichtet die Argumente und spitzt sie zu. Das ursprüngliche Pad ist weiterhin öffentlich einsehbar. Die Zusammenfassung hier ist notwendigerweise eine Verdichtung und Auswahl. Die ursprünglichen Beiträge sind allesamt weiterhin online erreichbar.
Dieser Text hier dient als mögliche Grundlage für die noch anstehenden Diskussionen zum örtlichen Klimaschutzkonzept. Da ich sowohl in der Fraktion der Wetter SPD als auch der BI Windkraft Wetter aktiv bin, halte ich vorsorglich fest, dass dieser Text hier weder meine persönliche Meinung noch die offizielle Sichtweise des Vereins oder der Fraktion ist. Ich stelle diese Website gerne bereit, um bereits hier den Diskurs außerhalb des politischen Raums zu fördern. Respektvolles und konstruktives kommentieren ist ausdrücklich erwünscht.
Wieso Wetter? Es geht doch ums Klima?!?
Etwas Kontext für alle, die über Google auf diese Seite geführt wurden: auf dieser Seite geht es um Überlegungen im Jahre 2021 in der Stadt Wetter (Hessen). Wetter ist ein ein Unterzentrum mit knapp 8.800 Einwohnern und etwa 100km² Fläche, davon rund 50% Wald.
Zur Kommunalwahl 2021 ließen alle Parteien durchblicken, dass es langsam Zeit wird, sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Der gute Wille ist erkennbar – und um den Diskurs voranzutreiben, wurde im zweiten Quartal 2021 das Klimaschutzpad ins Leben gerufen. Der Link dorthin wurde breit gestreut und bis zum Redaktionsschluss kamen rund 20 DIN A4 Seiten Text zusammen (pdf, html). Ziel des Klimaschutzpad war es, den anstehenden Diskurs auf eine gemeinsame Grundlage zu stellen. Jede Partei kann weiterhin ihre eigenen Schwerpunkte setzen – und dem Diskurs dienlich wäre es, wenn sie dabei auch auf die erkannten Probleme und Fragestellungen eingehen würde.
Warum kommunaler Klimaschutz?
Im Jahr 2011 stellte der Landkreis Marburg Biedenkopf in seinem eigenen Klimaschutzkonzept fest, dass zur Begrenzung der Erderwärmung um höchstens 2 Grad die CO2 Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 95% reduziert werden müssen. Damals ging der Landkreis davon aus, hierfür bis ins Jahr 2050 Zeit zu haben. Auch aufgrund eines Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird dieser Prozess nun beschleunigt, u.a. sollen nun bis 2030 die CO2 Emissionen bereits um 65% (im Vergleich zu 1995) reduziert werden. Die Lage ist ernst – allein auf EU- oder Bundesebene ist diese Herausforderung nicht zu schaffen.
Energiewende als Chance für Wetter
Der Endenergiebedarf im Landkreis lag 2009 bei 7,7 Millionen MWh (MWh, was ist das). Bei (vorsichtig geschätzten) 8.800 Einwohnern in Wetter und 245.000 Einwohnern im Landkreis folgt daraus, dass Wetter einen Energiebedarf von 0,276 Millionen MWh (pro Jahr) hat. Umgerechnet sind das 276.000 MWh.
Würde man diese MWh komplett „in Strom“ umrechnen (grob vereinfacht!) und einen Preis von 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh) annehmen, entsprächen diese 276.000 MWh einem Geldwert von 82,8 Millionen Euro pro Jahr. Je besser es gelingt, unseren Bedarf für Energie zu reduzieren und/oder Energie lokal zu erzeugen, desto mehr Geld halten wir in der Kommune bzw. in den Taschen der Bürger.
Geht nicht, gibt’s nicht mehr
In der Vergangenheit war es jederzeit möglich, Forderungen rund ums Klima abzubügeln mit Verweis darauf, dass darunter ja die Wirtschaft oder der persönliche Wohlstand leiden könnte. Diese Sichtweise ist überholt, dem Klimawandel sind diese Überlegungen egal. Sogar das Bundesverfassungsgericht spricht bereits heute davon, dass „von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten […] praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen [ist]“. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen aus 2015 wurde bereits die rechtliche Grundlage für diese Eingriffe gelegt. Je eher wir uns darauf einstellen, desto besser wird der Übergang gelingen.
Szenarien: auf was bereiten wir uns vor?
Das Klimaschutzkonzept soll dazu dienen, einen lokalen Beitrag zu leisten, um die Erwärmung des Planeten zu minimieren. Da die Erwärmung an sich wissenschaftlicher Fakt ist, soll es gleichzeitig auch Antworten geben auf absehbare Szenarien, die im Folgenden beschrieben sind. Der Vorsorgeansatz ist besonders wichtig, da er im Klimaschutzkonzept des Landkreises aus dem Jahr 2011 so nicht abgebildet ist.
Die folgenden Fragen sind Szenarien und erheben nicht den Anspruch, zu 100% einzutreten. Zu jedem Szenario gibt es allerdings bereits heute Belege. Sie sind nicht rundweg hypothetisch.
- Was machen wir, wenn eine außergewöhnliche Hitzewelle über Wetter liegt? Stabile Wetterlage, kein Wind, Temperaturen >41 Grad. Ab 40 Grad ist der Hitzekollaps beim Menschen vorprogrammiert, je nach Luftfeuchtigkeit sogar schon darunter. Menschen ab 65 sind besonders betroffen. Im Jahr 2035 sind 39% der Wetteraner über 60 Jahre alt. (Quelle, Seite 30). Die Hitzetage in Deutschland haben sich bereits jetzt verdreifacht.
- Was machen wir, wenn der Burgwald brennt und eine Feuerwand gleichzeitig vor Mellnau, Oberrosphe oder Unterrosphe steht? Die Kombination aus einem großen, ausgetrockneten Waldstück (2018-2020) mit einer Gemeinde, die im Sommer öffentlich zum Wasser-sparen aufrufen muss, wirkt besorgniserregend. Wer sorgt für die Sicherheit der unmittelbar betroffenen Ortschaften? Haben wir genug Wasser? Genug Abstände?
- Was machen wir, wenn das Trinkwasser knapp wird? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz hält dieses Szenario für denkbar und fördert die Sanierung von Trinkwasser-Notfall-Brunnen. Wie wird der Verteilungsprozess zwischen Landwirtschaft, Bevölkerung und Industrie gesteuert?
- Der Burgwald trocknet aus, das Ökosystem kippt. Pilz- und Käferbefall bringen weite Teile des Waldes zu Fall, die Moore trocknen aus. Und nun?
- Was passiert bei Starkregenereignissen? Können wir das Regenwasser zurückhalten, um es der Grundwasserneubildung zuzuführen oder fließt es ungebremst in die Siedlungen?
- Was machen wir, wenn das CO2 Budget von Wetter überschritten ist und die Vogel-Strauß-Strategie keine Option mehr ist, weil Gerichte dagegen entschieden haben (Deutschland, Niederlande).
- Das Klimaschutzkonzept des Landkreises ging 2011 davon aus, dass jeder Bürger ca. 8,78 Tonnen CO2 pro Jahr „verbraucht“ bzw. emittiert (Quelle, Seite 56). Gehen wir von nur 8 Tonnen aus und einem CO2 Budget von 420.000 Tonnen (runtergerechnet vom Gesamtbudget Deutschland auf Wetter), ist dieses Budget bereits in 6,5 Jahren komplett aufgebraucht. Unter Berücksichtigung der natürlichen CO2 Bindung vielleicht in 15 Jahren. 1,5 Grad adé?!
- Ist unsere Stadt ernsthaft vorbereitet auf Naturkatastrophen? Wir reden hier von Ereignissen wie einem Tornado, hundertjährigem Hochwasser und einem Blackout. Womöglich sogar gleichzeitig. Hier geht es um konkrete Daseinsvorsorge – einer der originären Aufgabe der Kommune.
- Wie gehen wir damit um, wenn Feinstaub auch in ländlichen Kommunen gerichtlich weiter sanktioniert wird und das Heizen mit Kohle und Holz zum Problem wird?
Strom & Wärme
Das Klimaschutzkonzept des Landkreises ging im Jahr 2011 davon aus, dass der Energiebedarf zur Wärmeproduktion für Gebäude aufgrund von Effizienzgewinnen bis zum Jahr 2040 um 75% rückläufig sein müsste (Quelle, Seite 19). Das auf 30 Jahre angelegte Konzept ist nun 10 Jahre am Laufen – das Ziel wirkt fern. In welchem Maße sich die aktuellem Effizienzgewinne bewegen, ist unklar. Klar ist aber, der Heizenergie kostbar ist. Daraus folgt:
- Die öffentlichen Gebäude sind ordentlich zu dämmen, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sind zu bevorzugen.
- Wenig genutzte Räume sollten auf <19 Grad geheizt werden.
- Räume, die so gut wie nie genutzt werden, werden zusammengelegt.
Richtig dämmen & Wärme rückgewinnen
Regeneratives Heizen sollte gefördert werden. D.h.,:
- Das öffentliche Nahwärmenetz wird weiter forciert. Wer die Möglichkeit hat, sollte angeschlossen werden.
- Pellet-und Scheidholz-Heizungen bei Altbauten bevorzugen gegenüber Gas und Öl.
- Wir arbeiten darauf hin, dass Gebäude 50% ihres Strombedarfs selber erzeugen müssen (Solare Baupflicht).
- Mit Wärmepumpen für gut gedämmte Gebäude, die mit 1 kW Strom rund 3 kW Wärme erzeugen. Energieträger Luft oder Erdwärme (Erdwärmebohrungen). Treibstoff: Strom regenerativ.
- Es wäre zu prüfen, ob z.B. die Stadtwerke Wetter (alternativ eine neue Energiegenossenschaft, Stadtwerke Marburg oder die Energienetz Mitte) den regional regenerativ erzeugten Strom auch regional vermarkten kann, d.h. von den Erzeugern in der Region einkauft und an die Bewohner über den regulären Markt verteilt. Spätestens wenn die PV- oder Windkraftanlagen nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, macht so etwas sicherlich Sinn und wäre sowohl für Erzeuger, als auch Verbraucher wünschenswert.
Für das Jahr 2016 ist bekannt, dass der Anteil des regenerativ erzeugten Stroms in Wetter bei ca. 14.100 MWh lag. Im Vergleich zum Gesamtbedarf von 276.000 MWh wirkt das gering, in Relation zum Strombedarf entsprach dies jedoch schon einer Quote von rund 21%. Berücksichtigt man den weiteren Ausbau des Nahwärmenetz (Wärme = sehr viel Energie), dürfte diese Quote in den letzten Jahren deutlich gestiegen sein. Unterstellt man, dass wir auf 1.000 mittelgroßen Dachflächen á 54qm aktuelle Photovoltaiksysteme mit ca. 10 kWp (kWp, was ist das) installiert bekämen, würden sich allein aus dieser Maßnahme weitere 9.600 MWh pro Jahr (1.000 Dächer x 10 kWp/Dach x 960 h/a = 9.600 MWh) gewinnen lassen.
Alternativ (oder zusätzlich?) könnten wir uns an der Stadt Wolfhagen orientieren, deren Stadtwerke bereits im Jahr 2012 einen kommunalen Solarpark errichtet haben. Zitat: „Am Bau der zwei Kilometer langen Anlage entlang der Bahntrasse zwischen Gasterfeld und Wolfhagen waren vor allem heimische Unternehmen beteiligt. […] Seitdem liefern die 42.000 PV-Module jährlich rund 10 Millionen Kilowattstunden sauberen Sonnenstrom. Das ist in etwa die Menge, die 3.000 Haushalte in zwölf Monaten verbrauchen.“
Windkraft
Wenn wir über regenerative Energieerzeugung sprechen, darf auch die Windkraft nicht fehlen. Gehen wir einmal davon aus, wir hätten einen Ort mit genügend Wind, dann gibt diese Musterrechnung etwas Orientierung ob des Nutzens. Vorab: wir konzentrieren uns zunächst mal nur auf dem Strombedarf, nicht auf Strom+Heizenergie.
Nehmen wir den Strombedarf aus der Tabelle des Landkreises (1.615.000 MW) und setzen ihn in Relation zu unserer Bevölkerung (defensiv gerechnete 8.000 Einwohner der Stadt zu 245.000 Einwohner im Landkreis), dann kommen wir auf einen Strombedarf von 52.700 MWh für Wetter. Das ist dann der Strombedarf der Haushalte inkl. Industrie, Verwaltung, Gewerbe – aber ohne Heizung. Um diesen Bedarf per Windkraft decken zu wollen, benötigt es 5 Windräder der 5,6MW Klasse an einem windreichen Standort.
Nachgerechnet: 5 Windräder x 5,6 MW x 2.000 Stunden Wind pro Jahr ergibt 56.000MWh pro Jahr.
Für das Windvorranggebiet in Wetter wurde bereits 2016 nach einer Windmessung festgestellt, dass dieser Standort nicht windreich genug ist, um überhaupt einen Windpark errichten zu dürfen. Daher klagt ja auch die Stadt gegen das Land. Doch davon ab: in Zukunft – nach einer möglichen Gemeindefusion mit Münchhausen – könnte beispielsweise der Windpark Niederasphe im Zusammenspiel mit einem städtischen Solarpark oder einer kommunalen Photovoltaik-Strategie einen nennenswerten Beitrag zur regenerativen Energieversorgung leisten.
Die verstärkte Nutzung regenerativen Energien wird zwangsläufig die Frage der Netzstabilität aufwerfen. Stromspitzen und Dunkelflauten sind das Stichwort. In Feldheim gibt es bereits einen „Akku“, der in der Lage ist, 5MWh zu speichern. Wäre das etwas für das alte Schöller-Gelände?
Gebäude & Baumaßnahmen
Private und öffentliche Baumaßnahmen hängen vielfältig mit Klimaaspekten zusammen. Gebäude brauchen Rohstoffe für den Bau, sie verbrauchen Fläche, benötigen Wärme. Auf diese Entwicklung müssen wir Einfluss nehmen. Überlegungen dazu aus dem Klimaschutzpad:
- In Bonn weiß man, dass Flächen knapp sind. Die Gemeinde spricht darüber, möglichst viele Flächen im Besitz zu halten. Sie vergibt für Privatleute Erbbaurechte für 99 Jahre, bei Gewerbe für 30 Jahre (Quelle). Verpachten statt Verkaufen ist die Devise.
- Leerstehende Gebäude bei gleichzeitigem Gebäudebedarf sind ein Problem, auch fürs Klima. Zielkonflikte mit Ansprüchen aus dem Denkmal- oder Brandschutz sowie historischen Nutzungsvorschriften müssen gelöst werden. Hier kann die Kommune helfen.
- CO2 speichernde Baustoffe (Holz!) und die Wiederverwertung von Bauteilen (Recycling) sollte vorangetrieben werden, notfalls auch durch formale Auflagen. Die Nutzung klimafreundlicher Baumaterialien (kein Zement!) gilt es zu forcieren.
- Gebäude sollten eine Ökobilanz vorweisen können – auf 100 Jahre gesehen. Die CO2-Kosten für die Erstellung, den Betrieb und Rückbau sind zu bemessen. Städtische Hebesätze könnten darauf eingehen. Die Bundesförderung Effiziente Gebäude hilft bei der Errichtung und bei der Sanierung mit Zuschüssen oder Krediten.
- Vorhandene Gebäude werden intensiver genutzt. Die Grillhütte wird zum Stützpunkt für den Waldkindergarten, die tagsüber leerstehende Kirche zur Begegnungsstätte. Dank Homeoffice und Online-Zugangsgesetz könnten aus dem Rathaus Arbeitsplätze ins Homeoffice verlegt werden, die frei werdende Etage wird für neues frei. Eine Zusammenarbeit mit dem Landkreis kann Raumpotenziale heben.
- Die Nutzung von Brauchwasser (Regenwasser) im Gebäudebestand muss systematisch gefördert werden. Starkregen darf nicht einfach abfließen sondern als Ressource gebunden werden. Brauchwasseranlagen in Gebäuden könnten zur Auflage gemacht werden, Zisternen können bei der Bauabnahme stärker kontrollieren. Der Zweckverband belohnt die Nutzung von Brauchwasser, statt sie zu bestrafen.
- Sämtliche städtische Bauvorhaben bedürfen in ihrer Planungsphase einer Überprüfung auf ihre Auswirkungen hinsichtlich des Klimawandels (Ökobilanz). Dies sollte auch bereits in der Ausschreibungsphase berücksichtigt werden. Frei nach dem Motto: wenn die Planung gut ist, muss die Ausschreibung nicht mehr reguliert werden.
- Das Verwaltungsgericht Gießen hat bereits im Jahr 2010 im Zuge der Klage wegen der Marburger Solarsatzung erkannt, dass Kommunen grundsätzlich berechtigt sind, gemäß §82 Hessische Bauordnung satzungsrechtliche Vorgaben für die Verwendung bestimmter Heizungsarten aufzustellen. Auch wenn die Solarsatzung damals scheiterte, ist der rechtliche Weg zu einer vergleichbaren Satzung durchaus erkennbar.
- Die Bäume, die wir in 10 Jahren brauchen, damit man auch im Sommer halbwegs (schattig) durch die Kernstadt gehen kann, müssten jetzt gepflanzt werden. Sowohl im öffentlichen als auch privaten Bereich. Aufklärung tut Not! Auflagen im Bebauungsplan schaffen Klarheit. Ein Greening für Wetters Innenstadt.
Der Burgwald & die Natur vor der Haustür
In Wetter haben wir rund 5.000 Hektar Wald direkt vor der Haustür, der einen wichtigen Beitrag zum Klima leistet. Doch der Wald und die ihn umgebenden Flächen leiden unter Trockenheit. Getrockneter Boden wiederum nimmt kaum mehr Wasser auf – und eine Kette von Problemen kommt in Gang.
- Am Schwarzen Wasser im Burgwald sah man bereits in den letzten beiden Jahren sehr gut, dass es im Sommer kaum mehr da war. Wer kontrolliert die Auflagen, die das Regierungspräsidium Gießen bzgl. der Wasserentnahme für Frankfurt gemacht hat?
- Starkregen darf nicht ungenutzt ablaufen. Er muss in großen und kleinen Rückhaltebecken gesammelt werden und der Grundwasserneubildung dienen. Das dient auch dem Hochwasserschutz.
- Errichtung mehrerer Teich-Biotopanlagen im Burgwald zur Rückhaltung. Rückhaltebecken des Treisbachs zwischen Treisbach und Oberndorf bauen. Rückhaltebecken der Wetschaft unterhalb von Todenhausen bauen. Rückhaltebecken der Asphe zwischen Niederasphe und Amönau bauen.
- Wiedervernässung der Wiesen unterhalb von Niederwetter. Rückbau von Drainagen in den Wiesen.
- Klimaschonende, nachhaltige Bewirtschaftung der städtischen Waldflächen: Aufbau von gestuften Mischwaldbeständen; Abgestorbene Bäume auf Kalamitätsflächen stehen lassen (Vermeidung von „Steppenklima“), Verzicht auf Harvester-Einsatz (bodenschonende Arbeitsweisen bevorzugen), gesunder, nicht verdichteter Boden bindet CO2.
- Die kommunalen Wälder nachhaltig bewirtschaften nach den Maßstäben der Nachhaltigkeit / Permakultur und die privaten Waldbesitzer für diese Art des Wirtschaftens begeistern.
- Moore sind super Klimaspeicher – wir müssen sie schützen, statt sie vom ZMW mittelbar trockenlegen zu lassen.
- Ungenutzte städtische Wegeparzellen in der Gemarkung identifizieren und mit Blühflächen, Vogelhecken oder Streuobstalleen entwickeln.
- Aufbruch von innerstädtischen Asphaltflächen zu Grünflächen.
- Der beste Naturschutz ist der Natur freien Lauf zu lassen. Hier ist die Fläche nur der Natur anzubieten und die nächsten 20 Jahre einfach mal nichts zu tun. Das spart auch Kosten in der Bewirtschaftung durch die Kommune.
- Gibt es Pläne für die Renaturierung der Gewässer? Mithilfe welcher Partner schaffen wir die Reaktivierung und Pflege der historischen Wasserführung in den Wetschaftsauen?
- Wie begegnen wir unsachgemäßer Gehölz- und Heckenpflege durch die Stadt?
- Welche umweltfreundlichen Mittel gibt es gegen Schädlinge wie Eichenprozessionsspinner oder Borkenkäfer? Vogelschutzmaßnahmen gegen Insekteninvasion?
- Der Burgwald ist eine regionale CO2-Senke. Der Wollenberg ganz sicher. Hier lassen sich Klimagasgewinne aus dem Zertifikatehandel aktivieren.
Erste Schritte – oder: die tief hängenden Früchte
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, doch wo fängt man bei einem so großen Thema wie dem Klimaschutzkonzept konkret an. Auch dazu gibt es im Klimapad konkrete Hinweise.
- An jedem öffentlichen Platz wird eine Solarbank aufgestellt. Damit lassen sich kostenfrei eBikes oder Handys laden. Und sie schaffen Bewusstsein für das Thema.
- Kommunale Dachflächen werden für Solarstromanlagen bereitgestellt. Die Bewirtschaftung erfolgt an durch eine örtliche Energiegenossenschaft oder wird – je nach Mittellage – in Eigenregie durch die Stadtwerke vorgenommen.
- Lokales Elektro-Carsharing fördernoder öffentliche Lasträder bereitstellen – gerne auch wieder durch eine Genossenschaft.
- Strom ist nicht alles, was man auf einem Dach machen kann. Man kann dort auch die Begrünung fördern oder die Ansiedlung von Bienen.
- Ein Radweg von Amönau nach Wetter sollte es dem Rad- und Fußverkehr ermöglichen, sicher und schnell in die Kernstadt zu kommen. Verbindungen nach Todenhausen, Niederwetter und Mellnau böten sich ebenfalls an.
- Attraktivität des Fahrradfahrens verbessern: Ausweisung und Markierung eines flächendeckenden Radwegenetzes, überdachte und günstige gelegene Fahrradstellplätze. Abschließbare Boxen für hochwertige Räder auch am Bahnhof.
- Stadtgrün und Vegetation im Siedlungsbereich aufwerten und verbessern (Blühflächen!), so dass es vermehrt zur Kühlung beiträgt (gegen Hitzesommer).
- Entsiegeln von Flächen, Parkplätzen und asphaltierten Feldwegen fördern. Verwendung von Ökopflaster in Bebauungsplänen vorschreiben und auch kontrollieren. Großparkplätze durch zusätzliche Pflanzung von schattenspendenden Bäumen, Hecken und Blühflächen runterkühlen.
- Deutliche Positionierung gegen jegliche Wasserexporte aus der Region in das Rhein-Main-Gebiet, Hinwirken auf einen sofortigen Stopp des derzeit bereits vom ZMW praktizierten Wasserverkaufs!
- Ökostromversorgung der öffentlichen Gebäude organisieren. Weg von fossilen Brennstoffen.
- Die Friedhöfe der Stadt könnten mit dem von den Friedhofshallendächern aufgefangenen Wasser gegossen werden. Dazu braucht es ein großes Fass (gibt es bis 10.000l), das angeschlossen wird. Jenseits der Regentonne auf dem Friedhof sind auch öffentliche Brauchwasserentnahmen denkbar. Zum Beispiel, um die städtischen Grünflächen zu versorgen.
- Anlage von Hecken in der Landschaft fördern, wie zum Beispiel die Landschaftsumgestaltung in Schönstadt bei Hof Fleckenbühl.
- Fördergelder beim Land Hessen beantragen. Hier gibt es jede Menge Beispiele dafür.
- Mobiles Arbeiten wird normal. Warum nicht den Trend nutzen und in einem leeren Gebäude der Kernstadt Arbeitsräume für mobiles Arbeiten einrichten, im Sinne eines Coworking-Space? Das spart Verkehr und belebt die Kernstadt.
Gemeinwohlökonomie & Subsidiarität
Das Klimaschutzkonzept ist mehr als nur ein Reparaturversuch. Es soll einen neuen Weg weisen. Im Klimapad tauchten jede Menge Hinweise auf, dass die Gemeinwohlökonomie eine natürliche Ergänzung dieser Konzeption seien könnte. Die Gedanken dazu seien ebenfalls hier erwähnt, auch wenn sie deutlich über das Thema Klimaschutz hinausgehen: Grundsätzlich sollte in der Kommune im Sinne der krisenfesten dauerhaften Überlebensfähigkeit maximale Kompetenz und Verantwortung für die eigenen Belange bleiben. Was vor Ort in der Stadt, im Dorf an Aufgaben gelöst werden kann, wird in Zukunft nicht mehr delegiert.
Gemeinwohlökonomie bedeutet, laienhaft gesprochen, den Zusammenschluss von verantwortlichen Akteuren, deren Handeln einem ethischen Konzept folgt. Themen wie Regionalität, Klimaschutz, Biodiversität werden nach und nach analysiert und erstellte Abläufe in geplante Handlungsschritte überführt.
Bürgerengagement wird von der Verwaltung aus aktiv gefördert. Sie wird nicht mit Verantwortungsbedrohungen, Zertifizierungspflichten und überbordender Bürokratie zerstören. Die Verwaltung der Kommune soll wie ein wohlwollender Vater über den bürgerlichen Initiativen die schützende Hand halten und sie gegen übergeordnete Behörden verteidigen. Nur so entsteht ein respektvolles Miteinander.
Beispiel: wenn wir die Grünanlagenpflege organisieren, soll das naturnah, möglichst giftfrei und auch im Sinne der Insekten und des Vogelschutzes geschehen. Umsichtig halt.
Konkret: In Sachen Umweltgiften könnte die Kommune mit gutem Beispiel voran gehen. Sie nutzt dann eben maximal Essigessenz statt Roundup und besser noch gar nichts, sondern erfreut sich an der Spontanvegetation im Pflaster auf dem Marktplatz. Dort werden nur noch Laufwege gepflegt.
Wie können wir Anreize für Nachhaltigen Konsum schaffen? Wie können wir mehr Angebot und Nachfrage an regional vermarkteten Produkten schaffen? Können wir irgendwie erreichen, dass die Streuobstwiesen wieder mehr genutzt werden? In obstreichen Jahren gehen Tonnen an Obst verloren und in den Obstregale bei Rewe und Aldi werden Äpfel aus Südtirol angeboten und das Obst auf den heimischen Wiesen verfault.
Es sollte doch möglich sein, einen regionalen Wochenendmarkt zu etablieren. Obst, Gemüse Backwaren, Fleisch und was sonst so alles lokal verkauft werden kann. Vielleicht auch in Kombination mit einer am Samstag verkehrsberuhigten Innenstadtstraße. Die Gastronomen stellen dann die Tische auf die Straße und verköstigen die Gäste. Für von auswärts kommende Gäste stehen dann Parkplätze bei Rewe und Aldi zur Verfügung. Gerne kommen auch alle mit dem Rad oder der Bahn.
Wie können wir erreichen, dass weniger Auto gefahren wird? Möglicherweise durch den schon lange geplanten weiteren Ausbau der Radwege. Für Baumaßnahmen wie Bundesstraßen werden Grundstückseigentümer enteignet und müssen ihre Grundstücke für Ausgleichsmaßnahme zur Verfügung stellen. Da wird es doch möglich sein, dass parallel zu den Straßen Rad- Fußwege entstehen. Die Verkehrsberuhigung ließe sich auch dadurch einführen, dass samstags nur noch E-Autos in die Innenstadt dürfen. Dann wird es wirklich ruhig, selbst wenn ein paar Autos kommen.
Vorzugsweise Anwerbung und Unterstützung von Unternehmen und Existenzgründern, die mit dem Verständnis der Gemeinwohlökonomie arbeiten; Kooperation mit Universitäten zur Supervision und Begleitung angestoßener Prozesse.
Lieber Andreas, dir vielen Dank für diese sehr gute Zusammenfassung! Hier merkt man, dass da der Hirnschmalz von über 40 Personen drin steckt, vielleicht ist das der erste Schritt in Richtung der notwendigen breiten Beteiligung bei diesem Thema. Darauf sollten wir auch bei dem folgenden Konzept aufbauen, nur gemeinsam können wir dieses existenzielle Thema angehen. Inhaltlich sollte man das Heizen mit Holz, kritischer betrachten und nicht fördern. Hier mal zusammen gefasst warum: https://blog.tagesanzeiger.ch/wettermacher/index.php/732/heizen-mit-holz-eine-dumme-idee/
..der Kreistag Marburg-Biedenkopf hat dazu in 2019 folgendes Konzept beschlossen:
https://marburg-biedenkopf.ratsinfomanagement.net/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZdHoDQg-N4gdsAOBovB-HNA
Siehe TOP 8.1, dann das B anklicken
Obwohl ich normalerweise jede Ausgabe des Wetteraner Boten sorgfältig durchlese ist mir die Beteiligungsmöglichkeit an diesem Pad entgangen, schade!
Das Pad finde ich eine gute Idee! Hier finden sich viele gute Impulse, die man in der Kommune bisher vermisst hat.
Es gibt ja auch von Seite der Stadtverwaltung bzw. der Kommunalpolitik (schon) Aktivitäten auf den verschiedenen Handlungsfeldern.
Leider ist es für die BürgerInnen nicht immer transparent wie energisch diese Projekte verfolgt werden.
Mehr BürgerInnenbeteiligung (und dazu gehört auch proaktive Informationspolitik) könnte auch hilfreich sein, die Menschen mitzunehmen auf dem Weg in die Klimagerechtigkeit.
Zwei Vorschläge aus dem Pad haben es mir sofort angetan:
1. Im Wetteraner Boten sollte es ein wöchentliches Glossar zum Klimaschutz geben: „Was kann jeder Einzelne tun?!“
2. Coworking-Space – Das spart Verkehr und belebt die Kernstadt.
Was mir fehlt sind Konzepte um landwirtschaftliche Wirtschaftskreisläufe wieder dort zu etablieren wo sie hingehören.
Da gibt es ja schon gute Beispiele aus der Praxis (Direktvermarktung, Saisongärten, Selbsternter).
Dafür gilt es gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier könnte die Kommune den Akteuren helfen in dem sie Hinweise auf Schwachstellen und Hindernisse bündelt und
die Interessen gegenüber dem Kreis, Land oder RP vertritt.
Zum Thema Versorgungssicherheit beim Strom erreichte mich per Mail der Hinweis, dass man in Österreich an das Thema Blackout offenbar sehr strukturiert rangeht: https://blackout-news.de/aktuelles/oesterreich-das-ganze-land-bereitet-sich-auf-blackout-vor/
Zitat: „Das österreichische Bundesheer hat verschiedene Szenarien verglichen und stuft einen Blackout als die schlimmste Katastrophe ein. Noch schlimmer als mögliche Terroranschläge oder eine Pandemie. Zudem geht das Bundesheer davon aus, dass ein Blackout in den nächsten 5 Jahren auf uns zukommt.“
Das Bundesheer Österreichs empfiehlt den Kommunen:
„Mit den sogenannten „Selbsthilfebasen“ sollen die Gemeinden sich auf einen Blackout vorbereiten. Das Ziel ist es, dass sich jede Gemeinde im Katastrophenfall selbst mit dem nötigsten versorgen kann. Zudem werden die Gemeinden aufgefordert ein Blackout Szenario durchzuspielen.“
Kaum war der Hinweis aus Österreich online, erreicht mich eine Replik aus Wetter. Stefan Ronzheimer ordnete aus Sicht der Wetteraner Feuerwehr die Sorge um den Blackout ein. Dort hat man nämlich bereits den Leitfaden des BBK in Sachen Notstromversorgung abgearbeitet. Der Leitfaden ist hier: https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Publikationen/Praxis_Bevoelkerungsschutz/PiB_13_Notstromversorgung_Unternehmen_Behoerden.pdf;jsessionid=1F2987557F8A3121C6240B40E2E8FB45.2_cid355?__blob=publicationFile
Im Ergebnis kam dabei u.a. ein mobiles Stromaggregat heraus, dass zumindest die Stromversorgung des zentralen Feuerwehrstützpunkts sicherstellen kann. https://ditze.net/wp-content/uploads/2021/07/8d714267-ce5b-4e51-9d81-a7649b24419b.jpg
Herzlichen Dank für diese Hinweise.
.hier bin ich zufällig drauf gestoßen
https://www.stmelf.bayern.de/landentwicklung/113963/index.php
.aber ich finde das sehr interessant, weil die Landwirtschaft da mit einzubinden ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.
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