Im April 2018 habe ich damit begonnen, systematisch die Außentemperatur an meinem Hühnerstall zu erfassen. Anfangs erhob‘ ich minütlich neue Daten, im späteren Verlauf immer nur noch dann, wenn sich die Temperatur um mindestens 0,1 Grad Celsius verändert hat. Im Zeitraum vom 2.4.2018 bis zum 27.12.2024 kamen so immerhin 1.487.005 Datensätze zusammen, die ich hier zur Verfügung stelle und auch interpretiere.
Wer macht denn sowas?
Ich glaube es war im Winter 2016/2017, als wir mitunter sehr kalte Nächte hatten. Damals näherten wir uns an Temperaturen um -20 Grad Celsius und ich begann, mich intensiv damit zu beschäftigen, wie ich den Hühnerstall warm bekomme. Kurz darauf traten wir in eine Dürrephase mit sehr heißen und trockenen Sommern ein. Kurzum: mir erschien es jedenfalls sinnvoll, das Wetter bzw. genau genommen die Temperaturen im Blick zu behalten.
80 Monate Temperaturkurve
Starten wir mit der Auswertung – und malen erstmal eine Kurve über den gesamten Zeitraum.
Diese Kurve basiert auf den gemittelten Temperaturen pro Tag. D.h., faktisch war es im Verlauf innerhalb eines einzelnen Tages auch mal deutlich kälter oder wärmer. Hier wird mit dem Tagesdurchschnitt gearbeitet.
Anfang 2021 und Anfang 2023 hatten wir relativ weite Ausschläge nach unten. Wenn im Tagesdurchschnitt -10 Grad Celsius erreicht werden, ist das für hiesige Verhältnisse schon sehr kalt.
Knapp hinter dem 1.1.2020 sieht man auch sehr schön den Ausfall des Messgeräts, da hat die Kurve schlichtweg eine kleine Lücke. Leider wären – rein statistisch gesehen – in genau diesem Zeitraum auch die besonders tiefen Temperaturen „fällig“ gewesen. Ob sie nun wirklich da waren oder nicht, geht aus diesen Daten leider nicht mehr hervor.
Die Tiefstwerte
Die folgende Tabelle weist den jeweils niedrigsten Wert in Grad Celsius aus, den ich in einem Jahr gemessen habe.
Jahr | Tag / Uhrzeit | Tiefstwert |
2018(*) | 16.12., 01:05 | -3,9 |
2019 | 21.01., 08:29 | -11,8 |
2020 | 30.11., 08:05 | -8,2 |
2021 | 10.02., 03:32 | -17,0 |
2022 | 15.12., 00:03 | -13,9 |
2023 | 09.02., 07:56 | -7,2 |
2024 | 19.01., 04:06 | -10,4 |
(*) Die Messreihe begann im April 2018.
Die längsten Kälteperioden
In dieser Auswertung habe ich jeweils pro Jahr den längsten Zeitraum ermittelt, in dem die Temperaturen im Tagesdurchschnitt zusammenhängend unter 0 Grad Celsius waren.
Jahr | Zeitraum | Dauer / Tage |
2018 | 14.-16.12. | 3 |
2019 | 18.-25.01. | 8 |
2020 | 24.-26.01. | 3 |
2021 | 07.-15.02. | 9 |
2022 | 09.-19.12. | 11 |
2023 | 28.11.-04.12. | 7 |
2024 | 14.-21.01. | 8 |
Zur Erinnerung: in 2018 fehlt das erste Quartal, die Messung startete ja erst im April.
An der Tabelle kann man leicht erkennen, dass der Winter 2019/2020 offenbar ein sehr milder war. Der absolute Tiefstwert des Jahres 2020 wurde erst im November erreicht. Und im ersten Quartal gab es längstens 3 Tage Frost am Stück. Jedoch erinnern wir uns auch daran, dass ich eingangs schrieb, dass das Messsystem Anfang 2020 ausgefallen ist. Genauer: zwischen dem 30.12.2019 und dem 24.01.2020. Theoretisch fehlen hier also einige kalte Tage.
Jedoch: ganz praktisch gesprochen können es nicht so furchtbar viele Frosttage gewesen sein, die hier fehlen. Warum? Nun, hier sieht man sehr schön, wie die Dinge miteinander zusammenhängen. Wir müssen einen milden Winter gehabt haben, denn im darauffolgenden Frühling hatte ich relativ viel zu tun mit der Bekämpfung von „Ungeziefer“. Sprich: Schadnagern. Es fehlte einfach eine harte Frostperiode.
Die Höchstwerte
Nicht nur die Kälte wirkt sich auf Mensch und Tier aus, in Zeiten des Klimawandels ist natürlich auch das Thema Hitze von Belang. Hier zunächst einmal die absoluten Höchstwerte jedes Jahres.
Jahr | Tag / Uhrzeit | Höchstwert |
2018 | 26.07., 16:05 | 38,4 |
2019 | 24.07, 15:33 | 40,2 |
2020 | 08.08, 16:11 | 39,4 |
2021 | 18.06., 14:50 | 37,2 |
2022 | 20.07., 17:24 | 42,4 |
2023 | 09.07., 15:31 | 40,1 |
2024 | 13.08., 14:57 | 37,4 |
Die längsten Hitzeperioden
Statistisch gesehen ist der Juli der wärmste Monat in Deutschland – mit einer Durchschnittstemperatur von 18,0 Grad Celsius. In der folgenden Tabelle wird der längste Zeitraum ausgewiesen, in dem die Temperaturen im Tagesdurchschnitt durchgängig bei 20 Grad Celsius (oder höher) lagen.
Jahr | Zeitraum | Dauer / Tage |
2018 | 23.07.-09.08. | 18 |
2019 | 24.-31.08. | 8 |
2020 | 06.-16.08. | 11 |
2021 | 16.-20.06. | 5 |
2022 | 08.-17.08. | 10 |
2023 | 14.-23.08. | 10 |
2024 | 28.08.-07.09. | 11 |
Veränderungen zwischen den Jahren
Obwohl die Messreihen hier nun schon ein paar Jahre laufen, reichen sie natürlich nicht(!) aus, um etwas über klimatische Veränderungen sagen zu können. Zum einen gehts beim Klima nicht nur um Temperaturen, sondern auch um Niederschlag oder Luftfeuchtigkeit. Aber noch viel wichtiger ist: wer Klima messen will, sollte mal mindestens Messungen über 30 Jahre haben.
Nichts desto trotz kann man sich aber mal anschauen, wie sich die kalten und warmen Tage zwischen den Jahren verteilt haben.
Zur Einordnung: die höhe des blauen Balkens gibt an, an wie vielen Tagen im jeweiligen Jahr die Temperaturen im Tagesschnitt unter 0 Grad Celsius waren.
Der orange Balken zeigt an, an wie vielen Tagen die Temperatur im Tagesdurchschnitt oberhalb von 20 Grad Celsius lag. Und wir erkennen: 2018 war offenbar ein sehr heißes Jahr. Und wir sehen auch: Während 2020 relativ wenig besonders heiße und kalte Tage hatte, sieht man ab 2022 deutlich mehr heiße und kalte Tage.
TOP 25 der stärsten Temperaturschwankungen 2018-2024
In dieser Tabelle sind die stärksten Schwankungen aufgeführt, die ich innerhalb eines Tages gemessen habe. Und ja: es gibt wirklich Tage, bei denen wir von gut 2 Grad Celsius auf knapp 30 Grad hochgehen. Das sind keine Fehlmessungen.
Tag | Minimum | Maximum | Differenz |
19.07.2022 | 12,1 | 40,6 | 28,5 |
20.07.2022 | 14,1 | 42,4 | 28,3 |
18.07.2022 | 10,1 | 38,0 | 27,9 |
07.07.2023 | 8,6 | 35,3 | 26,7 |
29.06.2019 | 9,9 | 36,4 | 26,5 |
15.06.2022 | 8,8 | 34,6 | 25,8 |
21.09.2019 | 1,8 | 27,3 | 25,5 |
07.08.2020 | 12,3 | 37,6 | 25,3 |
08.07.2023 | 13,9 | 38,9 | 25,0 |
17.07.2022 | 7,2 | 32,1 | 24,9 |
18.06.2023 | 11,0 | 35,9 | 24,9 |
30.06.2019 | 12,6 | 37,4 | 24,8 |
06.08.2018 | 12,1 | 36,8 | 24,7 |
07.05.2020 | 1,4 | 26,1 | 24,4 |
24.07.2019 | 15,8 | 40,2 | 24,4 |
08.08.2020 | 15,1 | 39,4 | 24,3 |
06.08.2020 | 10,1 | 34,4 | 24,3 |
19.09.2020 | 3,9 | 28,1 | 24,2 |
28.05.2023 | 6,6 | 30,8 | 24,2 |
09.07.2023 | 15,9 | 40,1 | 24,2 |
30.07.2020 | 8,5 | 32,6 | 24,2 |
10.07.2019 | 4,9 | 29,0 | 24,1 |
14.06.2022 | 4,8 | 28,9 | 24,1 |
22.07.2020 | 6,6 | 30,7 | 24,1 |
17.06.2023 | 9,6 | 33,6 | 24,0 |
Die Tabelle zeigt ganz gut, auf welche Art von Problem wir uns hinarbeiten. Der menschliche Körper ist darauf ausgelegt, seine Körpertemperatur von etwa 36,5 bis 37,5 Grad Celsius konstant zu halten. Damit das klappt schwitzen oder zittern wir manchmal – das sind typische Mechanismen des Körpers zur Temperaturregulierung. Jedoch: extreme und schnelle Temperaturschwankungen, wie in der Tabelle dargestellt, stellen eine Herausforderung dar, weil der Körper kaum Zeit hat, sich anzupassen.
Eine besondere Problemgruppe in diesem Kontext sind „die Alten“. Denn die Fähigkeit zur Thermoregulation nimmt mit dem Alter ab. Schnelle Wechsel zwischen Hitze und Kälte können zu Erschöpfung oder Kreislaufversagen führen. Spoileralarm: alte Menschen haben wir in den nächsten Jahrzehnten immer mehr. Die Demographie lässt grüßen.
Egal ob alt oder jung, der Schlaf fällt bei solch starken Temperaturschwankungen auch eher schlechter aus. Und damit einher geht tendeziell ein Leistungsabfall. Sogar psychologische Auswirkungen, wie bspw. leichtere Reizbarkeit, können dadurch begünstigt werden, da der Körper durch die starken Schwankungen „im Stress“ gehalten wird.
Ausblick
Die hier vorgestellten Interpretationen der Daten sind ein erster Wurf. Von hier aus könnte man noch viel weiter gehen – indem man diese Werte mit weiteren Daten abgleicht. Sterbetafeln oder Einsatzstatistiken der Feuerwehr wären hier beispielsweise denkbar. Ambitionierte Hühnerfarmer könnten auch die Legeleistung ihrer Tiere hiergegen abgleichen – zumindest soweit die Produktion entsprechen dokumentiert ist 😉
Spaß beiseite: wir sind hier zwar „nur“ im kleinen Wetter (Hessen) unterwegs, aber man bekommt doch schon einmal einen Eindruck davon, vor welchen Herausforderungen wir in Sachen Klimawandel stehen.
Die Messstelle
Abschließend noch ein paar Worte, wie ich zu den zugrundeliegenden Rohdaten gekommen bin. Als Temperatursensor für die Datenerhebung verwende ich einen DS18B20, der an einem Raspberry PI 2 angeschlossen ist. Der Sensor hängt im Außenbereich des Hühnerstalls in der gut belüfteten Dachunterkonstruktion vom Trapezdach des Hühnerauslaufs. Das Dach ist nach Süden ausgerichtet. Der Sensor wird natürlich nicht direkt von der Sonne beschienen.
Der Raspberry fragt minütlich die Temperaturdaten ab und gibt sie an den speichernden Server weiter. Ändert sich die Temperatur um mindestens 0,1 Grad Celsius, wird die neue Temperatur gespeichert.
Die Messstelle selbst befindet sich in Wetter (Hessen), im Stadtteil Mellnau, ca. 270m ü. NN. Amateurfunker und andere Freunde der weltweiten Geolokation finden Mellnau im Maidenhead unter JO40JW. Das Dorf liegt direkt am Burgwald.
Die Rohdaten
Im Sinne von Citizen Science stelle ich die Rohdaten und die tagesgenau gemittelten Temperaturdaten zum Download zur Verfügung.
Ich kann natürlich nicht(!) ausschließen, dass bei 1,48 Millionen Datensätzen nicht auch ein paar statistische Ausreißer enthalten sind. Im Gegenteil! Im Laufe von 6,5 Jahren ist die Messstation natürlich auch mal ausgefallen, mal ist eine Festplatte vollgelaufen und vielleicht gab es auch Probleme, die ich noch gar nicht erkannt habe. Ja, so ist das Leben. Wer Spaß an der Materie hat, ist herzlich eingeladen, diese Daten nach belieben zu verwerten.
Update 03.01.2025
Die Grafik mit dem Temperaturhistogramm wurde neu erstellt. Einem Leser ist aufgefallen, dass ein paar Messwerte darin fehlten – besten Dank an Klaus.
- Download: Rohdaten
- Download: tagesgenau gemittelte Temperaturdaten
Copyleft: Wer diese Rohdaten analysieren, recyclen oder kopieren will, darf das gerne machen – auch ohne Quellenangabe und von mir aus auch kommerziell.